26. April 2021
Tibetan Centre for Human Rights and Democracy (TCHRD), www.tchrd.org

Chinas „Stabilitätserhaltungspolitik“ ist für Tibet fatal: Jahresbericht 2020 des TCHRD

Der Jahresbericht 2020 des TCHRD über die Menschenrechtssituation in Tibet, der am 26. April in drei Sprachen - Tibetisch, Chinesisch und Englisch - veröffentlicht wurde, zeichnet ein beunruhigendes Bild des Entzugs von Rechten und staatlichen Übergriffen, er ist geprägt von anhaltenden und schweren Menschenrechtsverletzungen und vom Fehlen eines unabhängigen Raums für freie Meinungsäußerung, ausgehend von der allumfassenden und systematischen Niederschlagung jeglichen Anzeichens von friedlichem Dissens.

Die in dem Bericht dokumentierten Ereignisse belegen eine Zunahme von willkürlichen Verhaftungen und Inhaftierungen, sowie von außergerichtlichen Tötungen, was die Folge von dort üblicher systematischer Folter ist. Geheime Inhaftierungen und Isolationshaft sind an der Tagesordnung, da immer mehr Tibeter für sogenannte kriminelle Handlungen wie den Besitz von Fotos des Dalai Lama oder das Eintreten für Umwelt-, Kultur- und Sprachrechte willkürlich verhaftet werden.

Das neue Gesetz zur „Ethnischen Einheit“ setzt durch die Realisierung der „Politik der Stabilitätserhaltung“ die Bestimmungen des Nationalen Regionalen Autonomiegesetzes außer Kraft, das den Tibetern autonome Befugnisse zusicherte. Der Bericht legt dar, daß eines der Hauptziele des 7. Tibet-Arbeitsforums vom August 2020 die Sinisierung des tibetischen Buddhismus war. Dieses und der 14. Fünfjahresplan (2021-2025) sind geprägt von repressiver Politik und repressiven Praktiken wie die der fortgesetzten staatlichen Bevormundung, die stark von den politischen Zielen, der Sicherheitsagenda und den wirtschaftlichen Interessen des chinesischen Staates geleitet wird und nicht von echten Bemühungen, die Lebensqualität der Tibeter zu verbessern.

Die chinesischen Behörden verfolgen weiterhin eine harte Politik der erzwungenen Assimilierung und nicht abgestimmten Entwicklung - alles im Namen der „Stabilitätserhaltung“. Dies hat zu schwerwiegenden Verletzungen der politischen, bürgerlichen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte geführt.
Die Entwicklungsprojekte der VR China, die sich auf Groß- und Kleinstädte konzentrieren, die von Han-Chinesen dominiert werden, verschaffen diesen ausnahmslos die Vorteile von Investitionen und ignorieren die Mehrheit der Tibeter, die benachteiligt und entrechtet werden, was zu tiefgreifender Ungleichheit, Diskriminierung und Verarmung führt. Die Entwicklungspolitik auf Sektoren, die von Infrastrukturprojekten und der Verstädterung bis hin zu Bildung und Sprache reichen, wie etwa der Politik der „zweisprachigen Erziehung“, ist Teil einer umfassenderen Agenda, nämlich eine einheitliche chinesische nationale Identität zu schaffen, um so die tibetische Identität und kulturelle Überlieferung allmählich abzuschaffen.

Seit Präsident Xi Jinping im Jahr 2012 an die Macht kam, haben „die Angriffe und die Unterdrückung von Bürgerrechtsanwälten, Menschenrechtsaktivisten und Dissidenten in der gesamten VR China“ zugenommen, so der Bericht weiter. Das Jahr 2020 war auch Zeuge einer verstärkten Überwachung durch das Verbot der Nutzung von VPNs (virtuellen privaten Netzwerken) und einer Zunahme von Verhaftungen wegen der Teilnahme an Online-Diskussionsgruppen mit der Beschuldigung, „das Land zu spalten“ und „die nationale Einheit zu untergraben“. Es zeigte sich, daß der Ansatz des Mittleren Weges (Middle Way Approach) zu den vielen Diskussionsthemen gehörte, die durch diese neuen Richtlinien kriminalisiert wurden.

China hat über 1,39 Billionen Yuan für seine „Stabilitätserhaltungspolitik“ ausgegeben - 16,8% mehr als für das Militärbudget. In Wirklichkeit ist diese Zahl nur ein Teil des tatsächlichen Budgets, wenn man bedenkt, daß die „Stabilitätserhaltung“ jetzt sowohl von staatlichen als auch von großen privaten Unternehmen und Firmen realisiert wird. Der Bericht erläutert auch, daß das chinesische Modell der „zweisprachigen Bildungspolitik“ das Fortbestehen der tibetischen Sprache bedroht, da es Mandarin-Chinesisch in den Grundschulklassen den Vorzug gibt, was letztlich auch in Richtung der chinesischen Assimilationsagenda geht.

China hat keinen der Hauptkritikpunkte aufgegriffen, welche die weit verbreiteten Proteste von 2008 in Tibet auslösten, wie etwa die massiven Einschränkungen der Religion und die Schmähung des Dalai Lama, die zunehmende chinesische Migration in tibetische Gebiete, die politische Unterdrückung, die wirtschaftliche Marginalisierung, die fehlende Selbstverwaltung, die Umweltzerstörung und die schlecht durchdachte Entwicklungspolitik.

Die VR China hat eine Reihe von internationalen Menschenrechtsverträgen ratifiziert und ist Mitglied der UNO und des Menschenrechtsrates. Gleichzeitig verstoßen die Gesetze, die Politik und die politischen Maßnahmen der VR China in einer Reihe von Bereichen, die direkt mit den Menschenrechten zusammenhängen, nachweislich gegen das Völkerrecht und andere Menschenrechtsabkommen. Diese Widersprüchlichkeit muß angesprochen und die VR China zur Rechenschaft gezogen werden.

Der Bericht kann hier heruntergeladen werden unter
https://tchrd.org/wp-content/uploads/2021/04/English-Annual-Report-2020.pdf